Der VEB Rohrleitungsbau Finow gehörte zum VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen mit Sitz in Leipzig.
Über das Kombinat wurden u.a. die Exportaufträge abgewickelt.
Die Vorgeschichte
Die Gründung der Firma Seiffert im Jahre 1893 durch den Ingenieur Franz Seiffert fällt in eine Zeit, in der das Verfahren, nahtlose Rohre zu erzeugen, durch die Brüder Mannesmann erfunden wurde.
Damit war die Voraussetzung geschaffen, den Rohrleitungsbau zu einer immer mehr an Bedeutung gewinnendes Fachgebiet der Technik zu entwickeln.
Franz Seiffert erkannte die wachsenden Anforderungen, die sich für das damals noch handwerklich betriebene Rohrleitungsgewerbe ergaben. Seine Gedanken, den Rohrleitungsbau auf eine industriemäßige Grundlage zu stellen, verwirklichte er schon frühzeitig beim Bau von Rohrleitungen für die Dampfkraftstationen zur Stromerzeugung der Berliner Innenstadt, denen 1899 gleiche Arbeiten für ein Kraftwerk in Madrid folgten.
Auf der Weltausstellung 1900 in Paris wurden alle dort aufgestellten Maschinen an Rohrleitungen von Seiffert angeschlossen.
Der Name Seiffert wurde international bekannt. Einerseits verlangte die industrielle Entwicklung in der Zeit zum Beginn des 20. Jahrhunderts nach modernen Rohrleitungssystemen und andererseits wirkten sich die Erzeugnisse der Firma beschleunigend auf die industrielle Entwicklung aus. Die Rohrleitungssysteme aus Finow machten den Transport von Dampf, Gasen und Flüssigkeiten in neuen Dimensionen möglich. Es vollzogen sich in kurzer Zeit expandierende Veränderungen, unter anderem durch den Erwerb einer Eisengießerei im Jahre 1898.
Bis zum Jahre 1907 erfolgte die Erweiterung des Werkes um eine Dreherei, Rohrgießerei, Kesselschmiede, mechanische Werkstatt, eine Temper-, Grau- und Stahlgießerei sowie ein Bürogebäude.
1907 setzte sich die Belegschaft wie folgt zusammen:
- 469 Mitarbeiter (gesamt),
davon:
- 104 in der Projektierung in Finow
- 180 Beschäftigte in Finow
- 45 Monteure
- 140 Hilfsarbeiter für die Montage vor Ort.
Die Erzeugnisse in dieser Zeit waren:
- Genietete und geschweißte Stahlrohre und diverse Rohrbögen,
- Stopfbuchsen (Gleitrohre) und selbstdichtende Kugelgelenkkompensatoren (eigenes Patent),
- Kondenswasser-Rückspritzpumpen als Ersatz für Kondenstöpfe,
- Schalldämpfer und Wasserfänger mit integriertem Entöler sowie diverse Armaturen.
Damit stiegen die Ansprüche an die Technologien der Fertigung und die gesamte Organisation.
Bereits 1908 waren von der Firma Seiffert ca. 3000 komplette Anlagen in alle Welt geliefert und teilweise in eigener Regie montiert.
Es existierten Niederlassungen in:
Düsseldorf, Sankt Petersburg und Frankfurt/Main, ab 1912 in Moskau, Breslau, Dresden und Budapest sowie Verkaufsbüros in Finnland und Polen.
Bis 1923 erfolgten infrastrukturelle Maßnahmen wie Bahnanschluss und Gleisbau sowie der Bau der „Seiffert-Siedlung“ (Heute existiert die Siedlung nicht mehr. Sie befand sich nördlich des heutigen Solarparkes in Richtung des Oder-Havel-Kanals.) und einige weitere Sozialmaßnahmen.
Ab April 1923 übernahm die Firma Franz Seiffert die Unterhaltskosten der Bahnlinie der Werke im Finowtal. Noch im gleichen Jahr wurden über diese Strecken über 12 000 t transportiert.
Während des 1. Weltkrieges wurde ein großer Teil der Produktion für die Herstellung von Munition umgestellt. Die technologische Struktur des Betriebes erlitt dadurch empfindliche Beeinträchtigungen.
Erst die Mitwirkung der Firma Seiffert bei der Vorprojektierung des Rohrleitungswerkes der AEG brachte ab 1924 neue Impulse für die Entwicklung.
Mit dem Kraftwerk Klingenberg (Berlin) wurde eines der ersten Großkraftwerke durch die Firma Seiffert mit Rohrleitungselementen ausgerüstet.
Der Ausbau der metallurgischen und chemischen Industrie setzte generell neue Maßstäbe für den Rohrleitungsbau. Die Leistungsparameter der neu entstehenden Anlagen erhöhten sich ständig, welches den Einsatz neuer Werkstoffe und Technologien zur Folge hatte. Höhere Temperaturen und veränderte Betriebsdrücke machten das Ablösen bisheriger Rohrverbindungen zur Einschweißbauweise erforderlich.
Der Rohrleitungsbau Finow war schon damals in der Lage entsprechende Schweißtechnik und Prüfverfahren (Röntgen) einzusetzen.
In der folgenden Übersicht soll das verdeutlicht werden:
Bis 1924 wurden überwiegend genietete oder autogengeschweißte Bauteile hergestellt;
1924 konnte ein Aggregat für die Anwendung des Elektroschweißens angeschafft werden;
Ab 1926 erfolgte fast ausschließlich die Herstellung von Eisenkonstruktionen und Armaturen in geschweißter Ausführung;
1928-1930 erfolgte die Lieferung geschweißter Rohrleitungen in alle Welt;
1937 beginnt die planmäßige Ausbildung in der eigens dafür errichteten Schweißerlehrwerkstatt;
1937 sichern der Bau von Glühöfen zur Wärmenachbehandlung und die Anschaffung von Röntgengeräten die Einführung der Schweißverbindung in Finow mit dem Gütefaktor = 0,9 =;
1939 wird das Elektro-Automaten-Schweißen eingeführt;
1940 begann man mit Arcatomschweißen für Spezialschweißungen;
1943 konnten Flach- und Rundstähle mit einer Elektro-Widerstand-Stumpf-Schweißmaschine verarbeitet werden.
Übernahme durch den Mannesmann Konzern
Im Jahre 1938 erfolgte die Übernahme der Seiffert-Werke in Finow, die Gebrüder Dietrich-Werke in Bitterfeld und der Deutsche Rohrleitungsbau in Düsseldorf durch den Mannesmann Konzern. Die Belegschaft zählte zu diesem Zeitpunkt etwa 1800 Mitarbeiter. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges waren es mit Zwangsarbeiter fast 3 500 Mitarbeiter.
Während des Krieges erfolgte die Umstellung der Produktion wieder auf Rüstungsindustrie, damit wurde der Niedergang einer auf hohem technischem und technologischem Niveau stehenden Betriebes eingeleitet.
Der Mannesmann-Konzern machte Riesengewinne mit der Produktion von Kriegsgütern, die eingesetzten Zwangsarbeiter lebten und arbeiteten in menschenunwürdigen Verhältnissen. Es wurde zur bitteren Erkenntnis, die deutsche Industrie mit ihrer enormen technischen Entwicklung hatte sich vorbehaltlos in den Dienst des Faschismus gestellt und Schande über unser Volk gebracht.
Der Rohrleitungsbau Finow wurde durch die Kriegsereignisse völlig zerstört und von den Mitgliedern der früheren Werksdirektion im Stich gelassen, die sich zum überwiegenden Teil in Richtung Westen absetzten.
Der Neubeginn nach dem II. Weltkrieg
Nachdem sich ab Ende 1945 einige Arbeiter unter Leitung des Kollegen Nicht mit Aufräumungsarbeiten, Bergung von Werkzeugen, diversen Materialien usw. beschäftigten, nahm der Betrieb am 02. Mai1946 als erstes Werk in Eberswalde behelfsmäßig die Produktion auf.
Im August erfolgte die Inbetriebnahme der Graugießerei als erste Produktionsstätte. Es wurden Kochtöpfe, Rübenpressen, Torfstechgeräte, landwirtschaftliche Kleingeräte und Bedarfsartikel des täglichen Lebens hergestellt. Außerdem wurden Instandsetzungsarbeiten in der benachbarten Chemischen Fabrik, in der Papierfabrik Wolfswinkel und vor allem im Kraftwerk Finow (MEW) ausgeführt.
In der Betriebsgeschichte des Rohrleitungsbaues Finow ist dazu zu lesen:
„…, dass von einem geordneten und planmäßig gesteuerten Arbeitsablauf zunächst nicht gesprochen werden konnte.
Von der Provinzialverwaltung der Mark Brandenburg und vom Landratsamt Bad Freienwalde wurde zum Zwecke der Produktionsgenehmigung und der Kreditaufnahme die Schaffung einer Rechtsform für den Betrieb gefordert.
In dieser Situation schaltete sich der frühere Verkaufsdirektor Dietze, der in Berlin-Lichterfelde ansässig war, ein. Der Betrieb wurde beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg als Zweigbetrieb der Firma Franz Seiffert & Co. KG eingetragen, wobei Dietze als Direktor und der Finower Ingenieur Willi Minkwitz als Prokurist eingesetzt wurden. Diese Maßnahme war bei der damaligen Situation durchaus zulässig und erfolgte mit Zustimmung der Provinzialverwaltung und des Landratsamtes.“
Die Entwicklung 1947 bis 1960
Im Februar 1947 erfolgte die Überführung des Betriebes in den volkseigenen Besitz und wurde der Stadt Finow als Kommunalbetrieb zugeordnet.
Inzwischen war die Belegschaft auf 150 Kollegen angewachsen und entwickelte sich rasch weiter; Ende des Jahres 1947 waren es bereits 320 Arbeitskräfte.
Die Anstrengungen und erbrachten Leistungen, die im wahrsten Sinne des Wortes erkämpft werden mussten, sind aller Ehre wert. Keiner der Kollegen von damals konnte sich vorstellen, dass der Rohrleitungsbau Finow sich zum wichtigsten Lieferanten von Hochdruck-Rohrleitungssystemen im Kraftwerks- und Chemieanlagenbau der DDR entwickeln und auf dem RGW-Markt (RGW: Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) einen starken Platz einnehmen würde.
Die Schwierigkeiten damaliger Prozesse lassen sich nur noch erahnen. Davon sollen die nachfolgenden Darstellungen einen Eindruck vermitteln:
Der Herstellungsumfang an Stahlguss belief sich Ende 1947 mit einem Ofen (Kupolofen) auf 150 t im Vergleich zum Jahre 1944 mit 2 Öfen (Kupolofen und Bessemerbirne) produzierte man 2 200 t im Jahr.
Der Rohrleitungsbau Finow entwickelte sich auf gesamter Breite und übernahm Aufgaben mit gesamtvolkswirtschaftlicher Bedeutung.
Im Zeitraum 1949/50 realisierte der Finower Betrieb bereits die Instandsetzung der Kraftwerke Vockerode, Trattendorf, Bergdorf, Schwarze Pumpe und Finkenherd bei eigener Herstellung der Rohrelemente und deren Montage.
1950/51 konnten 2 E-Öfen in Betrieb genommen werden, die allerdings 1958 durch Betriebsbereinigung nach Hennigsdorf und Dessau umgesetzt wurden.
Für 3 Jahre (bis 1961) wurden die Hallen der Gießerei für Elemente zur Entaschung und diverser Behälter größerer Abmessungen (ca. DN 3000) gefertigt.
Mit 1174 Arbeitskräften erreichte der Rofin 1960 seine größte Belegschaftszahl.
Die industrielle Warenproduktion (IWP) als eine wichtige Kennziffer im System der Leistungsbewertung entwickelte sich bis dahin wie folgt:
- 1955 – 3fach zu 1950 und
- 1960 – 10fach zu 1950!
Die Leistungsstruktur (Industrielle Warenproduktion)
In den Jahren 1955/56 wird die Herstellung von Krananlagen ausgelagert (Sortimentsbereinigung). Es handelt sich hierbei um kleinere Krane, die im jeweiligen Prozessablauf eingesetzt wurden, z. B. beim Kohleumschlag.
Im Jahr 1957 verteilten sich der Anteil der 1150 Mitarbeiter auf:
- ca. 610 im Werkstattbereich,
- ca. 500 in der Montage und
- ca. 55 in der Konstruktion.
Kurzzeitig erhöhte sich 1961 die Anzahl der Mitarbeiter in der Konstruktion auf 85 Kollegen.
Neue Anforderungen aus der Volkswirtschaft der DDR an den VEB Rohrleitungsbau Finow 1961 – 1990
Der Übergang zum Bau von Großkraftwerken war ab 1961 zu verzeichnen. Die Herstellung von Rohrleitungselementen wurde dem Hochdruckbereich verstärkt angepasst. Dieser Prozess begann 1956 und wurde etwa 1976 abgeschlossen. Der VEB Rohrleitungsbau Finow lagerte die Montage und die Konstruktion aus. Diese wurden vom IKR Bitterfeld übernommen. Das führte zur Verringerung der Mitarbeiterzahl auf 613 im Jahr 1962. Bis 1975 stieg die Beschäftigtenzahl wieder auf 763.
Im Zeitraum 1966/67 wurden Investitionen in Höhe von 23 Mio. Mark für die Kaltrohrbiegerei getätigt und die größte Biegemaschine (H 525) sowie ein Glühofen und eine Strahlerei in Betrieb genommen.
Von 1972 bis 1976 investierte der Betrieb 26 Mio. Mark für zwei Anschweißbogenpressen (DN 50 bis DN 150 und DN 200 bis DN 600).
Die IWP-Struktur wies aus:
- Kaltrohrbögen: 27 %,
- Formstücke: 27 %,
- Anschweißbögen: 19 %,
- Warmrohrbögen: 1 % .
Im Jahr 1978 begann mit der Trennung vom Rohrleitungsbau Aschersleben die Bildung von Industriekombinaten. Das „Kombinat Kraftwerksanlagenbau“ wurde zum Auftraggeber für komplette Kraftwerke, woraus sich für den Kombinatsbetrieb „ROFIN“ neue Anforderungen ergaben.
Die Großinvestition „Kern-Kraftwerksrohre“ begann bereits 1982. Der VEB Rohrleitungsbau Finow wird zum alleinigen Zulieferer von Rohrleitungselementen für den zweiten Kreislauf in Kernkraftwerken (KKW).
Die Investition umfasste zunächst:
- den Bau der vierschiffigen Fertigungshalle und den Bürokomplex,
- die Errichtung einer Portalkrananlage,
- den Bau von Prüf- und Laborräumen,
- die Aufstellung einer Induktionsbiegemaschine bis DN 450 und
- sonstiges diverses Zubehör.
Mit dieser Investition erreichte der VEB Rohrleitungsbau Finow auf dem Gebiet der Herstellung und Prüfung den Stand der Produktionsmittel, der den internationalen Maßstäben angepasst war.
Insgesamt wurden im Zeitraum von 1986 bis Oktober 1989 ca. 61 Mio. Mark investiert. Zu Beginn des Jahres 1990 waren ca. 1100 Mitarbeiter im VEB Rohrleitungsbau Finow beschäftigt.
Kultur und Soziales
Die kontinuierliche Leistungsentwicklung sowie die volkswirtschaftlich zunehmende Verantwortung des Betriebes gingen einher mit gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein ganzes System von Arbeitsschutzmaßnahmen wurde zum Bestandteil der Jahresplanung des Betriebes. Insbesondere die Kolleginnen und Kollegen mit gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten sowie im Schichtsystem konnten im Rahmen des Betriebsgesundheitswesens entsprechende Fürsorge in Anspruch nehmen.
Im jährlichen von den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten zu beschließenden Betriebskollektivvertrag fanden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des AB ihren verbindlichen Ausdruck. Von den jeweiligen Fachdirektoren und den zuständigen Gewerkschaftsgremien wurde die Realisierung kontrolliert.
Mit gleicher Konsequenz ging es um die gezielte Verbesserung der Tätigkeit von Frauen und jungen Müttern einschließlich der jeweiligen Maßnahmen zur Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung auch der Jugendlichen des Betriebes.
Dafür erforderliche finanzielle Mittel sind in Kultur- und Sozialfonds verbindlich vorgesehen worden. Es gehörte zur Selbstverständlichkeit, dass von der Betriebsküche täglich warmes Mittagessen (mehrere Gerichte zur Auswahl) und eine Pausenversorgung zu günstigen Preisen angeboten wurden.
Für die Kinder der Betriebsangehörigen gab es die Möglichkeit für ein geringes Entgelt am Ferienlager teilzunehmen.
Das betriebliche Kulturhaus stand für verschiedene Veranstaltungen und Tanzabende zur Verfügung. Auch von anderen Betrieben konnten die Räumlichkeiten angemietet werden.
Das „Rofin“ hatte zur Oberschule in der Clara-Zetkin-Siedlung Patenschaftsbeziehungen. Alle Schulklassen hatten zu einem Arbeitskollektiv feste Beziehungen, die gegenseitige Besuche und Gesprächsrunden zum Inhalt hatten. Die meisten Klassenlehrer und auch die Kollegen des Betriebes betrachteten das als eine Bereicherung. Hierbei fanden auch die Belange des „Unterrichtstages in der Produktion (UTP)“ entsprechende Berücksichtigung.
Darüber hinaus gab es Beziehungen zu Sportgemeinschaften der Clara-Zetkin-Siedlung. Für anstehende Sorgen und Probleme des Wohngebietes hatte das „Rofin“ stets ein offenes Ohr.
Im Kreisaktiv der Kammer der Technik (KDT) wirkten die Ingenieure des „Rofin“ engagiert mit.
Betriebsdirektoren:
Herr Willi Minkwitz (bis 1961);
Herr Werner Dolbrecht (bis 1969);
Herr Achim von Zweydorf (bis 1988);
Herr Thomas Pietsch (bis ca. 1992).
Autoren:
Karl-Heinz Backhaus
Martin Grabs
Fotos: Archiv Finow Rohrsysteme GmbH
Arbeitsstand: 22.02.2012