Qualitäten und Einsatzgebiete
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Technische Qualität: Dieses Produkt wurde in folgenden Industriezweigen eingesetzt:
- Waschmittelherstellung. Ein Problem beim Einsatz von synthetischen Waschmitteln in Waschmaschinen ist die sog. „Rückvergrauung“. Der von den Detergentien abgelöste Schmutz, der sich in der Waschflotte befindet, setzt sich natürlich auch wieder auf der Wäsche ab und führt zu einer gleichmäßigen Vergrauung. Das Carboxymethylzellulosemolekül umhüllt die Schmutzteilchen und hält sie infolge seines hydrophoben Charakters in der Waschflotte in der Schwebe.
- Erdölerkundung. Auch hier gibt es en ähnliches Problem wie bei den Waschmitteln. Bei der Durchführung von Erdölbohrungen wird das abgebohrte Gestein mit einer sog. Bohrlochspülung aus dem Bohrloch entfernt. Ab einer bestimmten Bohrlochtiefe kann die Spülung aber die Gesteinsteilchen nicht mehr in der Schwebe halten, sie würden wieder absinken. Auch hier wirkt derselbe Effekt wie beiden Waschmitteln. Die Gesteinsteilchen werden durch das CMC in der Schwebe gehalten. Damit aber durch den Einsatz des CMC die Bohrspülung nicht zu dickflüssig wird, muss ein niedrigviskoses Produkt eingesetzt werden. Diese niedrige Viskostät wird durch die Vorreife der Alkalizellulose erreicht.
- Bauindustrie. Hier erfolgt der Einsatz als Tapetenkleber. Für diesen Zweck muss das Produkt eine möglichst hohe Viskosität haben. Als die DDR ihr staatliches Wohnungsbauprogramm begann, schnellte der Bedarf schlagartig in die Höhe und brachte uns in tüchtige Bedrängnis.Es gab von Seiten der Bauindustrie, vor allem in Berlin eine Reihe Reklamationen. Die Tapeten seien nach dem Trocknen von den Wänden gefallen, hieß es. Um diese Reklamationen abzuwehren, mussten wir auf die Baustellen.Das Problem war die Technologie des Plattenbaus. Hier wurden die Tapeten unmittelbar auf den blanken Beton geklebt. Obwohl das in ganz Berlin gängige Praxis war und wir dasselbe Produkt an die unterschiedlichen Baukombinate geliefert hatten, traten die Reklamationen nur bei bestimmten Kombinaten auf. Wir konnten in detektivischer Arbeit heraus bekommen, das bei den reklamierten Produkten alle Platten von einem bestimmten Plattenwerk geliefert wurden. Und konnten weiterhin ermitteln, dass deren Beton sauer war. Nicht stark, aber immerhin. Nun habe ich zu Anfang gesagt, dass CMC das Salz der Celluloseglycolsäure ist, einer äußerst schwachen Säure. Durch leicht stärkere Säuren wird das Salz zersetzt und es entsteht die freie Celluloseglycolsäure, die keinerlei Klebkraft mehr hat. Wir haben diesem Bauleuten empfohlen, beim Ansetzen des Klebers etwas Soda zuzusetzen. Das Problem war gelöst.
Gereinigte Qualität: Für eine ganze Reihe von Einsatzzwecken war die technische CMC-Qualität infolge ihres hohen Kochsalzanteils nicht geeignet. So wurde eine spezielle Anlage zur Herstellung hochreiner Carboxymethylcellulose errichtet.
Verfahren: Die technische Carboxymethylzellulose wurde in großen Rührbehältern in verdünnten Alkohol eingetragen. Dabei lösten sich die Salze im Wasser, die CMC selbst wurde durch den Alkohol an der Auflösung gehindert. Das gereinigte CMC wurde vom Alkohol getrennt, getrocknet und wiederum in Papiersäcken verpackt. Klingt simpel, steckt aber voller Tücken. Da war zunächst der Alkohol. International gebräuchlich war der Einsatz von Äthylalkohol, da dieser nicht gesundheitsschädlich ist.
Dieses Verfahren kam für uns aber nicht in Frage, die Verwendung von Äthylalkohol( Äthanol) hätte bedeutet, dass wir ständig den Zoll im Betrieb gehabt hätten und alle Rohrleitungen u.ä. hätten verplombt werden müssen. (Alkoholmonopol des Staates). Also wurde Methylalkohol (Methanol) verwendet. Dieser ist zwar giftig ansonsten aber preiswert zu haben. Da Alkoholdämpfe brennbar, bzw. in Verbindung mit Luft explosibel sind, mußte die gesamte Anlage in sog. Ex-schutz gebaut werden. Fachleute wissen, was das bedeutet.
Technologisch gab es ebenfalls Probleme. Das CMC im verdünnten Alkohol musste ständig in Bewegung gehalten werden, ansonsten setzte sich der Feststoff unten im Behälter ab.
Zweites und größtes Problem war die Trennung des Lösungsmittels vom Feststoff. Hier wurden mehrere Varianten probiert. Einmal die chargenweise Trennung mittels einer Pendelzentrifuge. Nachteil: hoher manueller Aufwand beim Entleeren. (Infolge der Giftigkeit der Dämpfe musste Gasmaske getragen werden.
Zweite Variante: sog. Schälzentrifuge. Auch hier Chargenbetrieb, jedoch problemlose Entleerung.
Dritte Variante: kontinuierliche Trennung über eine speziell für diesen Einsatz gebaute Schneckenpresse. Diese Variante kam dann nach längerer Erprobung zum Dauereinsatz.
Nächstes Problem: Die Trocknung des noch methanolfeuchten CMC. Dieses musste im geschlossenen System erfolgen, da die Methanoldämpfe abgesaugt und das Lösungsmittel zurück gewonnen werden musste. Die technische Lösung: ein Etagentrockner. Dies ist ein zylindrischer Behälter mit mehren Etagen aus Gelochten Blechen. Das feuchte CMC wird oben kontinuierlich über eine Schleuse eingetragen und mit Rührarmen über die beheizten Etagen befördert. Durch die Öffnungen fällt es auf die darunter befindliche Etagen und wird schließlich getrocknet wieder über eine Schleuse ausgetragen. Hier war es die Materialfrage, die das größte Kopfzerbrechen verursachte. Heute würde man das Gerät problemlos aus Edelstahl bauen. Da es sich aber um eine Einzelanfertigung gehandelt hätte, fand sich in der DDR kein Betrieb. Die Lösung kam „aus dem Westen“. Auf der Leipziger Messe fanden wir eine westdeutsche Firma, die auf die Beschichtung von Apparaten mit einem speziellen Produkt spezialisiert war. Wir bekamen vom Kombinat die nötigen Devisen und dann wurde der in der DDR aus Stahl gefertigte Trockner in Einzelteilen zerlegt und gen Westen geschickt. Dort wurde es beschichtet und wiederum in Einzelteilen zurück geliefert. Hier wurde er dann zusammengebaut und im Betrieb montiert. Dieser Trockner hat bis zum Ende der Produktion einwandfrei gearbeitet.
Einsatzgebiete der gereinigten Carboxymethylcellulose:
Da das Produkt Lebensmittelqualität hatte, war die Einsatzpalette riesig. Hier nur einige der Haupteinsatzgebiete:
- Kosmetische Industrie: Verdickungsmittel, Suspensionsstabilisator,
- Pharmaindustrie: Tablettensprengmittel ( bewirkt, das Tabletten beim Einlegen in Wasser zerfallen),
- Papierindustrie: Hilfsmittel bei der Leimung von Papieren und bei der Herstellung von „gestrichenen“ Papieren (Weißgradverbesserung),
- Lederindustrie: in Appreturen,
- Tabakindustrie: Bindemittel für die Herstellung von sog. Tabakfolien (Zigarrenherstellung),
- Keramische Industrie: Suspensionsstabilisator für Glasuren,
- Lack-und Farbenindustrie: Verdickungsmittel für Lack-und Druckfarben und
- Lebenmittelindustrie: Stabilisator in der Speiseeisherstellung, Verbsserung des Frischhaltevermögens bei Backwaren.
Es konnten an dieser Stelle nur die Einsatzgebiete genannt werden,bei denen nennenswerte Mengen verwendet wurden. Es gab noch eine Vielzahl von speziellen Einsatzgebieten.
Als es um eine Ersatzproduktion für die ausgelaufene Azetylzellulose ging und wir uns entschlossen, die Produktion dieses Stoffen von dem Betrieben ORWO und Premnitz zu übernehmen, wurden in beiden Betrieben zusammen 4000 t pro Jahr hergestellt.
Als Finowtal die Kapazität des neu zu errichtenden Betriebs auf 10000t festgelegt hatte, wurden wir als „größenwahnsinnig“ angesehen. Keiner der in den entsprechenden Stellen tätigen Verantwortlichen hatte bedacht, dass der „Bedarf“ nur deshalb so niedrig war, weil CMC ja nicht zur Verfügung stand. Mit unserer Produktionsaufnahme änderte sich das ja schlagartig und der Bedarf, der ja latent vorhanden war, explodierte. Als der Betrieb 1989 dicht gemacht wurde, betrug die Produktion 14000 t, und das ohne eine Erweiterung der Aggretate.
Heute spielt CMC in der Chemie kaum noch eine Rolle, diese wurde von den andern (echten) Celluloseäthern, wie Metylcellulose, Propylcellulose und Hydroxypropylcellulose übernommen.