Obusbetrieb Eberswalde

Die vierte Generation: „Hamsterkäufe“ neuer Obusse 1969/70 und Übernahmen von Gebrauchtwagen retten den Eberswalder Obusbetrieb über das Wirtschaftstief der 1970-Jahre (1969 bis 1984)

Die vierte Generation: Übernahmen von Gebrauchtwagen (1969 bis 1984)
Da die „8Tr“-Obusse 1969/70 zur Außerbetriebnahme anstanden, wurden 1969 vier weitere „9Tr“-Obusse bezogen. Nach einiger Zeit stellte sich jedoch heraus, dass die dem „8Tr“ gegenüber leichtere Bauweise durch den großen und damit schwereren „W 700“-Anhäger zu Rahmenverziehungen führte. Deshalb wurde der vorletzte Anhänger dieses Typs 1969 verschrottet. Der letzte war dem berühmten „8Tr“ Nr. 11 vorbehalten, der in Dresden 1969 im Ringtausch mit einem Magdeburger (?) Wagen gleichen Typs völlig neu aufgebaut wurde und so 25 Jahre (November 1958 bis Februar 1984) alt wurde.
Bereits 1969 war es offenbar schon beschlossene Sache, den Obusbetrieb in der DDR nach und nach einzustellen wegen der mangelnden Freizügigkeit durch die Bindung an die Oberleitung und den – nur damals – billigeren Dieselkraftstoff als den einheimischen Strom aus Braunkohle.
Die richtige Einschätzung der Zukunft und offenbar auch die nötigen Finanzen erlaubten es der Stadt, 1969/70 noch einmal einen vollen Satz von elf Obussen des Typs „9Tr“ plus den „8Tr“-Rekobus zu kaufen. Danach gab es keine neuen Trollys bis 1984 mehr, und eine Stadt nach der anderen stellte in dieser Zeit den Obusbetrieb ein; die ersten waren Berlin/Ost 1973, die letzten Hoyerswerda 1994. Ausrangiert wurden 1969 vier „8Tr“ und auch zwei „9Tr“ des Jahrgangs 1962 und der älteste „8Tr“ des Jahrganges 1959. Vier Jahre bis 1974 hielt sich noch ein „8Tr“ des Jahrgangs 1962, sodass 1970 noch drei „8Tr“ (1971 zwei „8Tr“) und 14 „9Tr“ zur Verfügung standen, in der Summe 17 Trieb- und sechs Beiwagen.
Im Jahr 1973 setzte dann die Sammlung von Gebrauchtwagen richtig ein. Anfang des Jahres zwei „9Tr“ aus Berlin, 1975 und 1976 je einer aus Dresden, 1977, 1978 und 1981 je einer aus Gera. Durch zeitlich angepasste Ausmusterung der ältesten Eberswalder und auch übernommener Busse wurde der Triebwagenbestand zwischen 1970 und 1984 konstant auf 17 bzw. 16 Stück gehalten. Die Zahl der Anhänger war fast immer sechs, Ausnahmen 1974 und 1975 fünf und 1983 drei. Da es generell zu wenig waren und die „9Tr“-Busse teilweise gar keine Anhängekupplung mehr hatten, wurden in den späteren Jahren nur noch die Verstärker im Berufsverkehr mit Anhängern bestückt (Abb. 8, 9 u. 10).

Bild 9: SKODA „9Tr“, Übernahme aus Berlin 1973, später mehrfach umgebaut, am Markt (K. Reichenbach - Plauen)

Abb. 9: SKODA „9Tr“, Übernahme aus Berlin 1973, später mehrfach umgebaut, am Markt (K. Reichenbach – Plauen)

 

Bild 10: Letzter Obuszug der DDR mit LOWA-Anhänger „W701R“, Übernahme aus Dresden 1976 in der Eisenbahnstraße (K. Reichenbach - Plauen)

Abb. 10: Letzter Obuszug der DDR mit LOWA-Anhänger „W701R“, Übernahme aus Dresden 1976, in der Eisenbahnstraße (K. Reichenbach – Plauen)

Im Januar 1984 geschah ein Wunder: völlig ungeplant bekam Eberswalde drei tschechische „14Tr“-Obusse, die eigentlich für die Olympischen Spiele in Sarajewo geplant waren und die wegen Qualitätsmängeln von Jugoslawien nicht abgenommen wurden (Abb. 11). Dadurch konnten zwei „9Tr“ des Jahrgangs 1969 und der 25 jährige „8Tr“ abgewrackt werden.

Bild 11: SKODA „14Tr, ab 1984 und IKARUS-GANZ „280T“, ab 1985 an der Haltestelle Grabowstraße (K. Reichenbach - Plauen)

Abb. 11: SKODA „14Tr“ ab 1984 und IKARUS-GANZ „280T“, ab 1985 an der Haltestelle Grabowstraße (K. Reichenbach – Plauen)

Mit der Einstellung des Obusverkehrs in Zwickau waren von den bis dahin elf Betrieben in der DDR noch drei übrig geblieben: Eberswalde, Weimar und Potsdam-Babelsberg. Man konnte sich ausrechnen, dass etwa 1982 auch hier der Obusbetrieb zum Erliegen kommt. Auf dem Tiefpunkt 1983 war der Obusbestand in der DDR auf 26 Trieb- und 6 Beiwagen zusammengeschrumpft, von denen 16 Triebwagen und alle Anhänger in Eberswalde liefen.
Wäherend in Weimar und Potsdam Kraftomnibusse zur Verstärkung herangezogen werden mussten, wurde in Eberswalde dank großen Fleißes und Engagements der Kollegen der Werkstatt der Obusbetrieb bis zur Lieferung neuer Fahrzeuge 1984 in vollem Umfang aufrechterhalten. Trotz der fast aussichtslosen Perspektive in den 70er Jahren ist der Obus in Eberswalde nie auf Verschleiß gefahren worden. Die Netzerweiterung 1973 wurde schon erwähnt. Wie bei Fleischer in seinem Artikel zum 50. Jahrestag des Obusses nachzulesen ist, wurden im gleichen Jahrzehnt die Fahrleitungsanlagen überholt, elektrische Weichen eingebaut und die Gleichrichterstation voll automatisiert.
Der Rettungsring für den Obus war eine für die gesamte Volkswirtschaft wenig erfreuliche Erscheinung: die Ölkrise Ende der 70er Jahre. Sie bewirkte ein Umdenken zurück zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Markantes Beispiel war die forcierte Elektrifizierung der Deutschen Reichsbahn (DR), aber auch die Erweiterung von Straßenbahnnetzen und der U-Bahn-Linie E in Berlin.